Civilly Disobedient or Legally Justified?
Reflecting on AG Flensburg’s Recognition of a Climate Necessity Defence
DOI:
https://doi.org/10.25365/vlr-2023-7-1-123Schlagworte:
Klimanotstand, rechtfertigender Notstand, Klimaaktivismus, Ziviler Ungehorsam, Rechtfertigungsgründe, liberale Theorie, unmittelbarer WirkungszusammenhangAbstract
Im Herbst 2022 rechtfertigte das AG Flensburg den tatbestandlichen Hausfriedensbruch eines Klimaaktivisten nach § 34 dStGB (rechtfertigender Notstand). Wie kann ein solcher „Klimanotstand“ juristisch begründet werden? Die Wertung des AGs bedarf einer besonderen juristischen wie rechtstheoretischen Analyse.
Dem aus dem Klimabeschluss und Art. 20a GG abgeleiteten Rechtsgut „Klimaschutz“ wird an mehreren Stellen der Prüfung besonders großer Wert zugemessen. Eindrucksvoll ist hier, dass sich die Argumentation des Gerichts zur Begründung einer dauerhaften Klima-Notstandslage eignet. Zudem argumentierte das AG mit einem neuartigen Standard für die Geeignetheit der Notstandshandlung, im Urteil als „unmittelbarer Wirkungszusammenhang“ bezeichnet. Auch die Abwägungsentscheidung im Hinblick auf die Angemessenheit der Notstandshandlung zeigt eine (neue) interessante Wertung bzgl. dem Vorrang staatlicher Gefahrenabwehr. Diese Neuigkeiten werden juristisch dargelegt und auch hinterfragt.
Im Anschluss an diese Fragen wird die Rechtstheorie zur Bewertung zivilen Ungehorsams herangezogen und parallele Überlegungen aufgezeigt. Das Gericht sprach explizit davon, sich nicht mit zivilem Ungehorsam zu beschäftigen, da es sich nicht um solchen handele. Trägt diese Wertung? Tatsächlich eröffnet sich in der Argumentation des Gerichts eben jenes Spannungsfeld zwischen Legalität und Legitimität, welches klassisch-liberale Theorien des zivilen Ungehorsams zu erfassen suchen. In einer gewissen Parallelität zur rechtlichen Betrachtung scheitern aber auch diese daran, die Eigenheiten des Klimaaktivismus zufriedenstellend zu erfassen und zu erklären.
Jedenfalls zeigen sich insgesamt einige Schwachstellen, die von der schrittweisen Anpassung einer nationalen Rechtsordnung an die globale Klimakrise bedingt sind.
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